Sonntag, 29. April 2012

Böhmisches Mittelgebirge

Die verheißungsvollen Beschreibungen im Wanderführer von Rölke machten uns neugierig:

"Ein Frühlingsmärchen: Blumenwiesen, Kirschbäume, Schlehen und phantastische Fernsichten.
Ein besonders blumenreiches Wandergebiet, das im Frühling zu einer Erkundung einlädt, liegt zwischen den Bergen Hradiste (Radischken) und Holy vrch (Kahler Berg). Weiß blühende Kirschbäume und duftende Schlehenhecken bilden einen reizvollen Kontrast zum Hellgrün der Berge. Den Waldboden bedecken unzählige zarte Frühlingsblüher, die Felshänge leuchten gelb von den Büscheln des Felsen-Steinkrauts und auf den Gipfeln blühen die seltenen Kuhschellen. Aber eine Herausforderung gibt es: Die Orientierung ist wegen weitgehend fehlender Markierungen und Wegweiser nicht ganz einfach, sollte aber für den erfahrenen Wanderer kein Probelm sein."

Das Märchen sollte wahr werden. Der Wanderexpress brachte uns zügig nach Sebuzin (Sebusein). 09:27 Uhr liefen wir los, zwei Iwalker, die in der Gegend weilten, gesellten sich zu uns. Im ausgewogener Mischung (w:m = 4:3) tippelten wir ein Stück Straße bis zur gelben Markierung, die uns straff bergauf zum Rabenstein (Krkavci skala; 445 m) führte. Die ersten  gelben Tupfer am Basaltfelsen machten uns neugierig auf unser eigentliches Ziel. Wir wanderten weiter bergauf bis zur grünen Markierung und dann in leichtem Gefälle durch herrliche Laubwälder nach Kundratice (Kundratitz). Der einstige Luftkurort liegt heute verträumt zwischen den Bergen und bietet weder Gasthaus noch Unterkünfte. Nun folgten wir dem Rölke-Wanderführer und erklommen auf unscheinbaren Pfaden den Holy vrch (Kahler Berg; 577 m). Auf Grund der langen Kälte blühten alle Obstgehölze auf einmal: Kirschen, Schlehen, Pflaumen, Birnen und Äpfel im Beginn. Auf dem Gipfel fanden wir alle gelben Frühblüher: Felsen-Steinkraut (Alyssum saxatile), Frühlings-Fingerkraut (Potentilla neumanniana), Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias), Bleicher Schöterich (Erysimum crepidifolium) und die Himmelsschlüssel (Primula veris) begleiteten uns von Berg bis Tal. Den Gipfel des Kahlen Berges krönen die Böhmischen Wiesen-Kuhschelle (Pulsatilla pratensis subsp. bohemica) und die noch seltenere Finger-Kuhschelle (Pulsatilla patens), von der wir zwei Exemplare fanden. Ebenso fiel uns das azurblau blühende Schmalblättrige Lungenkraut (Pulmonaria angustifolia) auf. Nach einer ausgiebigen Mittagsrast wanderten wir weiter über blumenreiche und mit alten Steinrücken bestandene Wiesen. Ausgedehnte Schlehen-, Weißdorn- und Rosenhecken gliedern den Berg in ein kleinteiliges Mosaik. In den naturnahen Wäldern blühten die Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus) und teilweise noch der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava). Die Blüte des Leberblümchens (Anemone hepatica) ist schon lange vorbei, aber dessen Blätter ließen auf ein üppiges Vorkommen schließen. In den Wäldern des Böhmischen Mittelgebirges ist der Feld-Ahorn (Acer campestre) und die seltene Elsbeere (Sorbus torminalis) zu Hause. Nun öffnete sich der Wald plötzlich und wir fanden uns auf einem Steilhang wieder, der eine herrliche Aussicht bietet. Wir waren auf dem Hradiste (Radischken; 545 m) angekommen. Der Blick schweifte über die mit zahllosen gelben Tupfern verzierten Felswände nach Leitmeritz (Litomerice) und in das weite Böhmische Becken. Im Westen das Milleschauer-Gebirge, im Osten das Daubaer Gebirge. Beim Abstieg schwirrten 6 (!) der seltenen Segelfalter (Iphiclides podalirius) um unsere Köpfe. Durstig, verschwitzt und überhitzt kam uns am Ortseingang von Hlinna (Hlinai) eine alte Plumpe wie gerufen. Unter einer alten Linde erfrischten wir uns mit kühlem Naß. Danach kamen wir an einem Hostinec vorbei, welches gerade öffnete. Mit frischem böhmischem Bier und Moskauer Eis ließen wir es uns gut gehen. Ob der Hitze und der alkoholischen Umdrehungen turkelten wir rasch und zielstrebig auf unmarkierten Wegen zu Tal. Über Tlucen (Tlutzen) und durch Wald und über verwilderte Obstwiesen ging es zurück zum Bahnhof. Ohne zu rennen kamen wir keine 5 Minuten vor Abfahrt (16:31 Uhr) des Wanderexpress' an. Ein rundrum gelungener Wandertag ging zu Ende.


Rabenstein (Krkavci skala)

Felsen-Steinkraut

Kundratitz und Aarhorst

Kahler Berg (Holy vrch)

Kahler Berg (Holy vrch)

Finger-Kuhschelle

Böhmische Wiesen-Kuhschelle

Radischken (Hradiste)

1 Kommentar:

  1. Als Dabeigewesene brauche ich dem Bericht eigentlich gar nichts hinzu zufügen. Aber ich schätze mich glücklich, gerade bei diesem Mal die Gelegenheit zum Mitkommen genutzt zu haben: Die Jahreszeit - ein Traum und eben auch die Gegend - das Böhmische Mittelgebirge belohnt nach jedem Aufstieg, aber auch zwischendurch mit faszinierenden Aussichten. Nach dem ich am Tag zuvor in der Sächsischen Schweiz unterwegs war und es dort ein bißchen zu geleckt und ordentlich fand, wirkte die böhmische "Wildheit" in der Natur als auch in den Dörfern wieder geradezu charmant.

    Margit

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